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Bible Commentaries
Richter

Kingcomments auf der ganzen BibelKingcomments

- Judges

by Ger de Koning

Vorwort

Das Buch Richter hat durch seine beeindruckenden Geschichten, die sehr realistisch beschrieben werden, immer eine große Anziehungskraft auf den Leser ausgeübt, auch auf mich. Als ich mich zur Vorbereitung von Bibelstudien und biblischen Vorträgen intensiv mit diesem Buch der Bibel zu beschäftigen begann, erfuhr ich aufs Neue die große Kraft und Aktualität, die von diesem Teil des Wortes Gottes ausgeht.

Bei dieser Vorbereitung habe ich dankbar herangezogen, was andere bereits über dieses Buch in Wort und Schrift weitergegeben haben. Der Kommentar beansprucht also nicht, in allem originell zu sein. Wohl habe ich versucht, die Ereignisse des Buches Richter in unsere Zeit zu „übersetzen”. Um dies verantwortbar tun zu können, habe ich so weit wie möglich versucht, meinen Kommentar mit dem Neuen Testament zu untermauern. Die Schrift besteht aus dem Alten und dem Neuen Testament und kann nicht aufgelöst werden (Joh 10,35). Die Auslegung und Anwendung eines Verses (oder Abschnitts) aus der Schrift muss durch einen anderen Schriftabschnitt bestätigt werden (vgl. 2Pet 1,20).

Ich hoffe, dass der Leser beim Lesen den Herrn um die Erleuchtung des Heiligen Geistes bittet und untersucht, ob sich diese Dinge so verhalten (Apg 17,11). Es ist mein Gebet, dass der Leser sich dafür öffnet, die kräftige Wirkung dieses Teils des Wortes Gottes zu erfahren, und dass die Auswirkung davon in seinem Leben sichtbar sein wird. Alles zur Ehre Gottes und zu eigenem Segen sowie zum Segen seines Volkes.

Ger de Koning
Middelburg, Januar 1997 / überarbeitete Fassung: August 2019

Allgemeines

Das Buch Richter beschreibt das Versagen des Volkes Israel bei der Inbesitznahme des Landes Kanaan, das es von Gott erhalten hatte. Doch das ist nicht sein einziger Inhalt. Wir lesen auch über das Eingreifen des Gottes der Erbarmungen, der für sein versagendes Volk Partei ergreift, als es seine Hilfe in Anspruch nimmt. Er lässt sein Volk nicht mit den Ergebnissen seiner Untreue im Stich.

Kurz gesagt, zeigt uns dieses Buch die Untreue des Volkes Gottes und die Treue Gottes. Die Geschichte der Christenheit, von der wir ein Teil sind, zeigt das Gleiche. Weil der Mensch sich nicht verändert hat und auch Gott nicht, ist dieses Buch für unsere Zeit aktuell.

Die Bedeutung des Buches Richter für die Gemeinde

Das Buch Richter beschreibt also das Versagen Israels, des irdischen Volkes Gottes. Worin bestehen nun die Bedeutung und der Wert des Buches Richter für die Gläubigen der Gemeinde? Die Bibel gibt selbst an, dass wir der Geschichte des Volkes Gottes, die im Alten Testament aufgezeichnet ist, Lektionen entnehmen dürfen. Die Bibel ruft uns sogar dazu auf. In 1. Korinther 10 steht, dass alles, was Israel widerfahren ist, ihnen widerfahren ist „als Vorbilder für uns“ (1Kor 10,6) und „als Vorbilder und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung, auf die das Ende der Zeitalter gekommen ist“ (1Kor 10,11). Wir lesen auch: „Denn alles, was zuvor [d. h. im Alten Testament] geschrieben worden ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch das Ausharren und durch die Ermunterung der Schriften die Hoffnung haben“ (Röm 15,4).

Wenn wir also die Ereignisse aus dem Buch Richter auf die Zeit anwenden wollen, in der wir, Gläubige des Neuen Testaments, leben, entsprechen wir dem Ziel, zu welchem Gott diese Geschichten aufschreiben ließ. Er möchte uns dazu bringen, danach zu streben, nicht denselben Fehlern wie Israel zu verfallen.

Die Lektion für die Gemeinde

Der Gemeinde ist es genauso ergangen wie Israel. Auch die Gemeinde hat viele Segnungen von Gott empfangen. Das sind keine irdischen Segnungen, wie es bei Israel der Fall war. Israel erhielt ein Stück Land, und dieses Land war randvoll mit Schätzen (5Mo 8,7-10). Die Segnungen, die die Gemeinde empfangen hat, sind geistliche, himmlische Segnungen. Wir können diese vor allem im Brief an die Epheser finden. Darin lesen wir, dass Gott den Gläubigen „zuvor bestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesus Christus für sich selbst“ (Eph 1,5) und dass alle Gläubigen der Gemeinde zusammen mit dem Herrn Jesus über alles erhaben sind (Eph 1,10), und noch vieles mehr.

Diese Segnungen hat die Gemeinde aufgrund des Werkes des Herrn Jesus am Kreuz und aufgrund seiner Verherrlichung im Himmel empfangen. Als der Herr Jesus in den Himmel zurückgekehrt war, hat er den Heiligen Geist auf die Erde gesandt (Joh 7,37-39), durch den alle Gläubigen zu einer Einheit miteinander und mit dem Herrn Jesus im Himmel zusammengefügt worden sind. Diese himmlischen Segnungen hat Gott der Gemeinde seit dem Augenblick gegeben, wo sie am Pfingsttag durch die Ausgießung des Heiligen Geistes entstanden war (Apg 2,1-4; 1Kor 12,13).

Damals wusste die Gemeinde noch nicht, wie reich sie tatsächlich war. Vor allem der Apostel Paulus ist von Gott dazu gebraucht worden, ihr die Segnungen bekannt zu machen. Paulus hat in verschiedenen Briefen darüber geschrieben, vor allem aber im Brief an die Gemeinde in Ephesus. Um diese Segnungen kennenzulernen, ist es also wichtig, dass ein Gläubiger die Bibel liest und dass er sein Leben danach ausrichtet. Das heißt, dass er in dem Bewusstsein auf der Erde lebt, dass sein wahres Leben droben ist, „verborgen mit dem Christus in Gott“ (Kol 3,3).

Was hat die Gemeinde aber mit all diesen Segnungen getan? Die Gemeinde vergaß schon sehr schnell, dass sie mit dem Herrn Jesus im Himmel verbunden ist und dass sie solche himmlischen Segnungen besitzt. Sie hat immer mehr begonnen, sich mit den Dingen der Welt zu beschäftigen, als ob sie hier auf der Erde zu Hause wäre und nicht im Himmel. Die „erste Liebe“, die wichtigste Liebe, die Liebe zum Herrn Jesus, dem sie alles zu verdanken hat, wurde „verlassen“ (Off 2,4). Dadurch ist sie in eine Abwärtsspirale hineingekommen, und deshalb geht jetzt noch so wenig von der Gemeinde aus.

Dennoch ist es immer möglich, die Segnungen Gottes zu genießen. Das ist der Fall, wenn Untreue bekannt wird und man sich auf die Gnade Gottes beruft. Dann schafft Er Abhilfe, genauso wie damals bei Israel. Nicht, dass die Gemeinde als Ganzes wiederhergestellt wird. Das ist auch im Buch Richter im Blick auf Israel nicht der Fall gewesen. Was wir jedoch sehen, ist, dass Gott durch die Treue Einzelner doch dem ganzen Volk oder einem Teil davon Segen gibt. Das gilt auch für die heutige Gemeinde. Die Treue eines Einzelnen hat oft positive Folgen für viele.

Ein kurzer Rückblick

Um die historische Periode der Ereignisse, die im Buch Richter berichtet werden, anzugeben, ist es gut, auf das Buch zurückzublicken, das ihm vorausgeht, nämlich das Buch Josua. Darin wird erzählt, wie das Volk unter der Führung Josuas in das Land einzog. Josua 1–12 berichten uns über die Fortschritte, die bei der Inbesitznahme des Landes gemacht wurden. Viele Feinde wurden besiegt, und viel Land wurde in Besitz genommen. Doch es blieb nach Josua 12 noch Land zur Eroberung übrig. Gott sagt zu Josua: „Vom Land ist sehr viel übrig, in Besitz zu nehmen“ (Jos 13,1).

Ab Josua 13 wird das Land eingeteilt und jeder Stamm bekommt sein Erbteil zugewiesen. Daraus folgt, dass das Volk zwei Aufträge hat:
1. Es muss verteidigt werden, was bereits erobert worden ist.
2. Es muss in Besitz genommen werden, was noch in den Händen des Feindes ist.

Dafür müssen Kämpfe geführt werden, denn der Feind hat nicht die Absicht, sein Gebiet widerstandslos preiszugeben. Das Buch Josua zeigt uns das Erbteil und den Segen des irdischen Volkes Gottes, Israel; das Buch Richter teilt uns die Geschichte dieses Volkes mit, wie es in der Praxis mit dem erhaltenen Segen umgeht.

Warum Kampf?

Hätte Gott nicht dafür sorgen können, dass der Feind sich von vornherein ergeben hätte? Sicher hätte Gott das tun können. In 1. Mose 35 lesen wir: „Und der Schrecken Gottes kam über die Städte, die rings um sie her waren, so dass sie den Söhnen Jakobs nicht nachjagten“ (1Mo 35,5). Etwas Derartiges hätte Er hier tun können. Er hätte seinen Schrecken auf die Feinde fallen lassen können. Er hätte sie auch einfach „durch den Hauch seines Mundes“ (2Thes 2,8) oder durch „ein scharfes zweischneidiges Schwert“ aus seinem Mund (Off 19,15) beseitigen können.

Aber Gott hat zu jeder Zeit seine spezifische Handlungsweise mit den Menschen im Allgemeinen und mit seinem Volk im Besonderen. Er verfolgt damit das Ziel, den Menschen erkennen zu lassen, dass dieser Ihn nötig hat. Nur dann, wenn er alles mit und für Gott tut, kann der Mensch glücklich sein. So verfolgt Gott eine besondere Absicht damit, wenn er feindliche Völker in dem Land wohnen lässt, nämlich, um sein Volk auf die Probe zu stellen.

Die Erprobung ist folgende: Würden sie im Kampf auf ihre eigene Kraft vertrauen oder auf Ihm? Würden sie sich anstrengen wollen, um das in Besitz zu nehmen, was Gott ihnen geschenkt hatte, oder würde das, was Gott ihnen gegeben hatte, sie nicht so sehr interessieren? Im ersten Fall zeigen sie, dass sie seine Segnungen schätzten. Im zweiten Fall werden sie dem Feind zugestehen, in ihrem Land zu wohnen, mit der Folge, dass der Feind ihnen den Segen raubt. Die Erprobung zeigt, worauf ihr Herz gerichtet ist.

Der endgültige Segen

Wenn sich nun zeigt, dass das Volk durch seine Untreue allen Segen verspielt, wie soll sich dann zum Schluss die Treue Gottes erweisen? Es wird deutlich werden, dass Israel allein unter der Herrschaft seines Messias, des Herrn Jesus Christus, gesegnet wird, der durch seine Macht den Segen einführen wird und durch dieselbe Macht den Segen instand halten wird. Der Feind wird dann keinen Hauch einer Chance haben, dem Volk den Segen zu rauben.

Das Buch Ruth, das in der Zeit der Richter spielt (Rt 1,1), schließt mit dem Namen „David“ ab. Wenn David König werden wird, wird er mit den Feinden abrechnen und den Segen für das Volk sicherstellen. In David sehen wir einen wunderbaren Hinweis auf den Herrn Jesus, der dasselbe für sein Volk Israel tun wird, wenn Er auf die Erde zurückkommt.

Der Verfall vorausgesagt

Der Verfall, in den das Volk Gottes hineingekommen war und der im Buch Richter beschrieben wird, ist von Josua vorausgesagt worden. Josua hat in seiner Abschiedsrede, die sich an Israel, „seine Ältesten und seine Häupter und seine Richter und seine Vorsteher“, richtete, also an die Menschen mit Verantwortung im Volk, davor gewarnt (Jos 23,2). Er sagt zu ihnen: „Denn wenn ihr euch irgend abwendet und euch an den Rest dieser Nationen hängt, an die, die bei euch übriggeblieben sind, und ihr euch mit ihnen verschwägert und unter sie kommt und sie unter euch: So wisst bestimmt, dass der HERR, euer Gott, nicht fortfahren wird, diese Nationen vor euch zu vertreiben; und sie werden euch zur Schlinge werden und zum Fallstrick und zur Geißel in euren Seiten und zu Dornen in euren Augen, bis ihr umkommt aus diesem guten Land, das der HERR, euer Gott, euch gegeben hat” (Jos 23,12; 13).

Diese prophetischen Worte ähneln dem, was der Apostel Paulus später zu den Ältesten der Gemeinde in Ephesus sagt (Apg 20,29; 30). Dort warnt er diese Ältesten vor den Abweichungen, die nach seinem Abscheiden kommen würden. Ephesus ist die Gemeinde, der er ausgelegt hat, mit welchen besonderen Segnungen Gott den einzelnen Gläubigen und die Gemeinde als Ganzes gesegnet hat.

Im letzten geschriebenen Brief, den wir von Paulus im Neuen Testament haben, seinem zweiten Brief an Timotheus, spricht er über dieselben Dinge mit Bezug auf den Verfall, der sich nach seinem Abscheiden vollziehen würde. Bemerkenswert ist, dass Timotheus sich damals (möglicherweise) in genau dieser Stadt Ephesus befand. Wir sehen, wie immer wieder eine Parallele zwischen Israel damals und der Gemeinde heute zu ziehen ist.

Eine prophetische Anwendung

Nach der Periode, die im Buch Richter beschrieben wird, folgen die Geschichten von den Königen Saul, David und Salomo. Wir finden sie in den Büchern 1. Samuel und 2. Samuel und 1. Könige und 2. Könige. Für die Christenheit ist der Zeitabschnitt des Buches der Richter mit der Zeit zu vergleichen, die nach dem Abscheiden der Apostel anbricht, dem nach-apostolischen Zeitalter. Dieser Zeitabschnitt wird mit der Entrückung der Gemeinde abgeschlossen.

Wenn wir die Ereignisse, die nach der Entrückung der Gemeinde stattfinden, mit Saul, David und Salomo vergleichen, erhalten wir das folgende Bild. Nach der Entrückung der Gemeinde wird der Antichrist, von dem Saul ein Bild ist, sich offenbaren. Der Antichrist wird das Volk ins Verderben stürzen. Aber der Herr Jesus, der wahre David, wird erscheinen und für alle, die nach Ihm Ausschau gehalten haben, den lange erwarteten Frieden bringen. Dazu wird Er die Feinde richten. Sofort anschließend wird Er als der wahre Salomo das 1000-jährige Friedensreich aufrichten. Diese Ereignisse, die nach der Entrückung der Gemeinde stattfinden werden, werden im Buch der Offenbarung ab Kapitel 6 beschrieben.

Die Geschichte der Gemeinde auf der Erde

Eine Beschreibung der Geschichte der Gemeinde auf der Erde vor ihrer Entrückung treffen wir in Offenbarung 2 und 3 an. In den sieben Sendschreiben, die darin enthalten sind, finden wir eine prophetische Skizze der Geschichte der Gemeinde auf der Erde. Daraus wird deutlich, dass auch die Christenheit, Gottes Volk des Neuen Testaments, ebenso wie Israel, Gottes Volk des Alten Testaments, immer weiter von ihrer hohen Berufung abgewichen und in Verfall geraten ist. Schließlich wird sie als etwas Ekelhaftes vom Herrn Jesus aus seinem Mund ausgespien (Off 3,16).

Es ist bezeichnend, wie die Beschreibung des Verfalls in Offenbarung 2 und 3 mit dem Sendschreiben an Ephesus beginnt – dieser Gemeinde konnte Paulus früher den vollen Ratschluss Gottes über die himmlische Stellung der Gemeinde entfalten – und mit Laodizea und seinem Zustand endet. Der Ordnung halber: Es geht hier um die Gemeinde in ihrer Verantwortlichkeit und nicht um die Gemeinde nach dem Ratschluss Gottes.

Der Mensch verdirbt alles

Was mit der Gemeinde geschieht, ist nicht neu. Es ist mit allem geschehen, was der Verantwortung des Menschen anvertraut worden ist. Hieraus wird deutlich, wie untreu der Mensch von Natur aus ist. Das wird unseren Hochmut und unsere Anmaßung vermindern und unsere Niedrigkeit und Abhängigkeit zunehmen lassen.

Alles, was von Gott gut gemacht worden ist, ist vom Menschen verdorben worden:
1. Man blicke nur auf Adam: ein prachtvoller Garten, ein Paradies mit wunderbaren Segnungen, aber Adam sündigt und der Fluch kommt über die Schöpfung.
2. Man blicke nur auf Noah: Noah wird während der Sintflut gerettet und kommt auf eine gereinigte Erde, doch er betrinkt sich und verhält sich seiner Autorität unwürdig, die Gott ihm gegeben hatte.
3. Man blicke nur auf Israel: Noch gerade erst aus der ägyptischen Sklaverei befreit, machen sie ein goldenes Kalb, und Gottes Zorn muss sie treffen.
4. Mit dem Priestertum geht es nicht anders: Beinahe unmittelbar, nachdem Gott es eingerichtet hat, kommen zwei Söhne Aarons mit fremdem Feuer und Gott muss sie töten.
5. Das Königtum lässt dasselbe Bild erkennen: Der erste König, Saul, erweist sich als ein ungehorsamer König, dem es nicht gelingt, seinen Auftrag zu erfüllen und der schließlich Selbstmord begeht.

Alles, was dem Menschen anvertraut worden ist, gerät durch die Untreue des Menschen in Verfall. Dieser Grundsatz macht deutlich, was im Menschen ist. Glücklicherweise sehen wir auch immer wieder, was in Gott ist, welche Gnadenquellen in Ihm gefunden werden. Diese Quellen stehen uns jederzeit zur Verfügung, und wir können sie immer anbohren, gerade in Zeiten des Verfalls. Wenn wir das tun, wird Gott sich selbst in dunklen Zeiten durch Menschen verherrlichen, die nichts mehr von sich selbst, aber alles von Ihm erwarten.

Darum enthält dieses Buch einen enormen Anreiz für Menschen, die auch angesichts des Verfalls den Kopf nicht hängen lassen, sondern sich Gott anbieten, um von Ihm zum Wohl seines Volkes gebraucht zu werden. Sie werden zum Wohl seines Volkes sein und in seiner Kraft den Kampf mit dem Feind aufnehmen wollen.

Ein geistlicher Kampf

Am Beginn und am Ende dieses Buches wird dieselbe Frage gestellt. Zwischen diesen zwei Fragen spielt sich das Buch ab. Die Frage lautet: „Wer von uns soll zuerst … hinaufziehen?” (Ri 1,1; Ri 20,18). Beim ersten Mal bezieht sich diese Frage auf das Bekämpfen der Feinde des Volkes. Beim zweiten Mal bezieht sich diese Frage auf den Feldzug gegen einen Bruder aus dem Volk. Sie begannen mit dem Kampf gegen einen gemeinsamen Feind und enden mit dem Kampf gegeneinander.

Es ist eine Variante von dem, was Paulus zu den Galatern sagt: „Seid ihr so unverständig? Nachdem ihr im Geist angefangen habt, wollt ihr jetzt im Fleisch vollenden?“ (Gal 3,3). Es muss allerdings hinzugefügt werden, dass der Kampf der Stämme Israels gegen ihren Bruder Benjamin wegen der Sünde, die dort stattgefunden hatte, und wegen des Umgangs ihres Bruders damit notwendig war.

Das bringt uns in dieser Einleitung noch auf einen wichtigen Punkt bei der Anwendung dieses Buches in unserer Zeit. Unser Kampf richtet sich nicht gegen „Blut und Fleisch“, sondern gegen unsichtbare, geistliche Feinde. Unser Kampf ist ein geistlicher Kampf „gegen die Fürstentümer, gegen die Gewalten, gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis, die geistlichen [Mächte] der Bosheit in den himmlischen [Örtern]“ (Eph 6,12). Obwohl diese Feinde nicht sichtbar sind, sind sie nicht weniger wirklich und nicht weniger verderblich.

Die verschiedenen Feinde im Buch Richter stellen verschiedene Formen des sündigen Fleisches und der fleischlichen Lüste im Gläubigen vor. Wir sehen, wie der Satan und seine Engel sich darauf einstellen, um den Gläubigen dazu zu bringen, sich durch das Fleisch leiten zu lassen.

Ein Kind Gottes darf wissen, dass der Herr Jesus das Gericht über die Sünde getragen hat und dass Er am Kreuz den Satan seiner Macht beraubt hat. Etwas anderes ist, dass der Gläubige dies in seinem Leben auch verwirklichen muss. Er muss sich im Glauben der Sünde und dem Fleisch für tot halten: „So auch ihr, haltet dafür, dass ihr der Sünde tot seid, Gott aber lebend in Christus Jesus“ (Röm 6,11).

Jedes Mal, wenn der Satan, der Oberste der bösen Mächte in den himmlischen Örtern, uns zu einer sündigen Lebensweise oder zu einer sündigen Denkweise veranlassen will, müssen wir ihn zurückweisen, indem wir auf den Herrn Jesus und auf das Wort Gottes hinweisen. Dies ist durch die Kraft des Heiligen Geistes möglich. Wenn wir nicht im Geist wandeln, werden wir von diesen Dingen besiegt werden.

Sehr praktisch wirkt das folgendermaßen: Es kann der innige Wunsch bestehen, die Segnungen in Christus zu genießen. Doch die Segnungen werden nicht genossen, wenn der Christ von sündigen Begierden, die er in seinem Leben zugelassen hat, in Gefangenschaft gehalten wird. Es ist unmöglich, die himmlischen Segnungen zu genießen, wenn man weltlichen oder fleischlichen Dingen nachstrebt. Diese Sachen machen ihn zu einem Gefangenen, wodurch er kein Auge und keine Zeit für die Dinge hat, die mit Gott und dem Herrn Jesus zu tun haben.

Die Richter

Was für Menschen sind die Richter, wo kommen sie her, wann leben sie und wie werden sie zu Richtern? Es bestehen große Unterschiede zwischen den Persönlichkeiten der Richter, denen wir in diesem Buch begegnen. So kommen sie aus verschiedenen Stämmen: Juda, Benjamin, Naphtali, Manasse, Issaschar, Sebulon und Dan. Dazu haben sie alle einen unterschiedlichen gesellschaftlichen Hintergrund: Der eine ist ein Bauer, der andere ist ein Diplomat, wieder ein anderer ist ein Vagabund. Einige sind bekannt, manche reich, andere sind unbekannt, andere arm. Eine von ihnen war eine Frau. Ihren speziellen Dienst werden wir in Richter 4 und 5 näher betrachten.

Diese Unterschiede machen deutlich, dass Gottes Allmacht bestimmt, wer Richter sein kann, und Er weist dabei jedem seinen oder ihren eigenen Platz zu. Er tut das aufgrund ihres Umgangs mit Ihm und nicht aufgrund einer religiösen oder nichtreligiösen Ausbildung oder bestimmter Diplome. Die Schule Gottes ist garantiert die beste Ausbildung, die es gibt.

Wer sind heute Richter?

Wenn wir das Buch lesen, sehen wir, dass die Richter allesamt von Gott erweckt werden, mit Ausnahme Abimelechs in Richter 9, der sich selbst zum Richter ausruft. Sie wurden also nicht von Josua angestellt. Sie wurden es auch nicht dadurch, dass ein Komitee aus Richtern sie eingeladen hätte, sich ihnen anzuschließen. Familiennachfolge steht ebenso wenig auf der Tagesordnung.

Richter sind ein Bild der Ältesten und Aufseher, die heute in der örtlichen Gemeinde ihre Aufgabe ausüben. (Die Tatsache, dass eine Frau als Richterin aufgetreten ist, bedeutet nicht, dass Frauen auch Älteste oder Aufseher in der Gemeinde sein können. Diese Aufgabe in der Gemeinde hat Gott ausschließlich den Männern zugewiesen. Wir werden uns das in der Geschichte Deboras näher ansehen.)

Ältesten oder Aufseher sind ebenso wenig wie die Richter von Menschen angestellt. In der Bibel ist von der Anstellung von Ältesten nur die Rede, wenn diese durch einen Apostel oder einen Bevollmächtigten eines Apostels vorgenommen wird (Apg 14,23; Apg 20,28; Tit 1,5). Angesichts der Tatsache, dass es heute keine Apostel mehr gibt, und infolgedessen auch keine Personen, die in ihrem Namen auftreten, kann keine Anstellung von Ältesten mehr stattfinden. Es gibt also keine Anstellung durch Menschen und auch keine natürliche Nachfolge.

Das heißt jedoch nicht, dass es keine Ältesten mehr gäbe. Paulus sagt zu Timotheus: „Wenn jemand nach einem Aufseherdienst trachtet, so begehrt er ein schönes Werk” (1Tim 3,1). In den folgenden Versen wird das „Profil” beschrieben, dem solch ein Aufseher genügen muss und woran man ihn also erkennen kann (1Tim 3,2-7).

Es gibt glücklicherweise noch immer Menschen, in denen der Herr das Verlangen und die Bereitwilligkeit wirkt, als Ältester oder Aufseher zu fungieren. Sie haben einen besonderen Blick für die Gefahren der Zeit, in der wir leben, und werden sich dafür einsetzen, dass der Feind keine Chance erhält, die Gläubigen ihrer Segnungen zu berauben. Ihre Aufgabe ist es, die Gläubige auf Gebiete in ihrem Leben hinzuweisen, wo der Feind Gewinne erzielt hat. Sie werden auch angeben, wie das verlorene Gebiet wieder zurückgewonnen werden kann.

Abnehmender Erfolg der Richter

Die Siege, die Richter erringen, sind nicht die Folge eines anfallenden Kampfes. Sie bekämpfen die Feinde, denen es durch die Untreue des Volkes gelungen ist, das Volk seines Erbteils zu berauben, das Gott ihnen gegeben hat. Es geht den Richtern darum, die Nationalexistenz des Volkes Gottes aufrechtzuerhalten und wieder das zu genießen, was ihnen gehört. Gott will, dass sein Volk ein siegendes Volk sein soll. Doch sie wenden sich von Ihm ab und folgen den Göttern der Nationen um sie her und werden so immer wieder zu ihren Sklaven. Dann ist es um allen Dienst und alles Zeugnis geschehen.

Das Buch Richter ist ein Buch, in dem immer wieder von der Rebellion gegen Gott die Rede ist. Bei jedem Mal, wo von Empörung die Rede ist, verliert das Volk immer etwas mehr von seinem Segen. Das ist an dem Maß der Erlösung zu merken, die durch einen Richter bewirkt wird. Jede Erlösung war weniger weit reichend als die vorherige. Nach jeder Fremdherrschaft erhielten sie weniger zurück, als sie verloren hatten, bis Simson, der letzte Richter, sie sogar in Gefangenschaft belässt, weil er durch persönliche Untreue, trotz seiner großen Kraft, nicht in der Lage ist, den Feind endgültig zu verjagen. Im Gegenteil, er wird selbst ein Gefangener.

Trotz der zunehmenden Größe des Verlustes ist die Gnade Gottes so groß, dass selbst eine Zeit des Verfalls für den Einzelnen oder den Überrest zu einer Zeit besonderen Segens werden kann.

Jede Befreiung ist immer teilweise, bis der Herr Jesus kommt. Wenn Er kommt, wird Er eine vollständige Befreiung bringen.

Der Zeitabschnitt, während dessen die Richter richten

Zwischen dem Auszug aus Ägypten und dem Tempelbau durch Salomo liegen 480 Jahre (1Kön 6,1).
Nach Apostelgeschichte 13 sind das aber ungefähr 570 Jahre (Apg 13,17-22). Den Unterschied ist ungefähr 90 Jahren. Dieser Unterschied lässt sich wie folgt erklären:
Die 570 Jahre in Apostelgeschichte 13 sind wie folgt aufgebaut:
ungefähr 40 Jahre (Apg 13,18) +
ungefähr 450 Jahre (Apg 13,20) +
40 Jahre (Apg 13,21) +
40 Jahre Regierung Davids (1Kön 2,11) =
insgesamt 570 Jahre.

Den Unterschied von ungefähr 90 Jahren findet man heraus, wenn man die 5 Perioden der Sklaverei im Buch Richter zusammenrechnet:
8 Jahre (Ri 3,8) +
18 Jahre (Ri 3,14) +
20 Jahre (Ri 4,3) +
7 Jahre (Ri 6,1) +
40 Jahre (Ri 13,1) =
insgesamt 93 Jahre.

Die geistliche Belehrung, die wir hieraus entnehmen können, ist diese: Gott zählt die Tage und Stunden, während denen wir in Sklaverei leben, nicht mit, weil diese Zeit nicht für Ihn gelebt wird. Diese hat für ihn keinen Wert. Vor dem Richterstuhl Christi wird dies offenbar werden.

Namen

Bevor wir Richter 1 näher betrachten, will ich noch etwas über die Namen sagen, die in der Bibel erwähnt werden. Nichts von dem, was in der Bibel steht, ist ohne Bedeutung. Gott hat alles mit einer besonderen Absicht aufschreiben lassen. „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werk völlig geschickt” (2Tim 3,16; 17). Das gilt auch für alle Namen, die genannt werden. Diese Namen haben eine Bedeutung. Das heißt nicht, dass die Bedeutung eines Namens immer eindeutig ist. Manchmal sind mehrere Deutungen eines Namens möglich. Wir können oft durch die Bedeutung eines Namens eine deutlichere Einsicht in den Sinn eines bestimmten Abschnitts bekommen.

Im Buch Richter werden viele Namen erwähnt. Ich möchte versuchen, in meiner Anwendung der Bedeutung so nahe wie möglich bei dieser Bedeutung zu bleiben. Wenn es mehrere Bedeutungen gibt, werde ich eine Anwendung machen, die mich am meisten anspricht. Es besteht bei solchen Erklärungen immer die Gefahr, dass die Fantasie eine Rolle zu spielen beginnt. Ihnen möchte ich daher den Auftrag erteilen, kritisch zu lesen, im Geist der Beröer, von denen es heißt: „Sie nahmen das Wort mit aller Bereitwilligkeit auf, indem sie täglich die Schriften untersuchten, ob dies sich so verhielte“ (Apg 17,11).

Einen wichtigen Hinweis in Verbindung mit der Bedeutung von Namen finden wir in der Schrift selbst und zwar in Verbindung mit der Name „Melchizedek”: „Denn dieser Melchisedek, König von Salem, Priester Gottes, des Höchsten, … der erstens übersetzt König der Gerechtigkeit heißt, dann aber auch König von Salem, das ist König des Friedens“ (Heb 7,1; 2). Hier liefert die Bibel selbst den Beweis dafür, dass aus dem Namen einer Person bestimmte Folgerungen zu ziehen sind, die uns etwas über diese Person lehren.

Es gibt verschiedene Bücher mit Erklärungen der biblischen Namen. Ich habe einige davon herangezogen. Ich gehe nicht auf Namen ein, deren Bedeutung ich nicht weiß oder bei denen ich mir nichts vorstellen kann. Diese Namen haben sehr wohl eine Bedeutung, die uns etwas vorstellt, ich weiß nur nicht, welche. Es ist gut, dass wir hierin unsere Beschränkungen einsehen.

Einteilung des Buches

Die Haupteinteilung des Buches kann wie folgt angegeben werden:
1. Rebellion des auserwählten Volkes (Richter 1,1–3,4).
2. Sklaverei und Befreiung (Richter 3,5–16,31);
3. Offenbarung des verdorbenen Herzens (Richter 17–21).

Die Untergliederung der Hauptteile

Hauptteil 1 (Richter 1,1–3,4)

1. Die Vermischung mit den Nationen (Richter 1,1–2,5).
2. Der öffentliche Bruch mit dem HERRN und das Verfallen in Götzendienst (Richter 2,6–3,4).
Teil 2 geht aus Teil 1 hervor. Wenn das Volk Gottes nicht mehr von der Welt abgesondert bleibt, ist die automatische Folge, dass ein Bruch mit Gott eintritt und man den Göttern der Welt zu dienen beginnt. Dies ist eine Erfüllung der Warnung Josuas (Jos 23,11-13). Die Erfüllung dieser Worte sehen wir in dem Buch, das wir sogleich näher anschauen werden und das erkennen lässt, dass Gott in seinen Worten gerechtfertigt wird.

Hauptteil 2 (Richter 3,5–16,31)

Dieser Teil lässt sich in 13 Abschnitte aufteilen, nach der Anzahl Richter, die darin auftreten. Wir lesen darin die Geschichte der Sünde Israels, welche Feinde von Gott gebraucht werden, um sie zur Umkehr zu bringen, und welche Richter Gott erweckt, um sie von ihren Feinden zu befreien.

Hauptteil 3 (Richter 17–21)

In den Schlusskapiteln können wir, genau wie bei Teil 1, zwei Teile unterscheiden:
1. Richter 17 und 18 zeigen den religiösen Verfall, das Loslassen des Bandes mit Gott und den Gottesdienst nach eigenen Vorstellungen.
2. Richter 19–21 zeigen den moralischen Verfall, das Loslassen des Bandes untereinander und das Handeln nach eigener Einsicht, ohne auf den anderen Rücksicht zu nehmen.
Auch hier geht Teil 2 aus Teil 1 hervor. Wo das Band mit Gott losgelassen wird, wird auch das Band untereinander losgelassen. Wo die Liebe zu Gott abkühlt, kühlt auch die Bruderliebe ab.

 
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